We Won’t Shut Up

Dass immer noch solche Sprüche zu hören sind. Dass es immer noch ein Kuriosum für die meisten Menschen ist. Dass immer noch darüber diskutiert werden muss. Dass es immer noch keine Selbstverständlichkeit ist. Es geht um Frauen auf der Bühne und dahinter. Um Sängerinnen, Musikerinnen, Frauen in wichtigen Rollen in der Musikproduktion und im Management. Um Veranstalterinnen, Tontechnikerinnen und um Frauen in allen weiteren Bereichen der Musik. Es ist das Jahr 2021 und wir haben noch nicht einmal annähernd eine Gleichwertigkeit erreicht. Männer dominieren das Musikgeschehen flächendeckend und bis auf einige wenige, sehr berühmte Aushängeschilder am Pop-Olymp, die es durch unwahrscheinlich viel Arbeit geschafft haben, sich durchzusetzen, haben Frauen noch immer kaum Chancen auf faire Behandlung in dieser Branche.

Aktuelle Studien legen nahe, dass wir nicht nur einen gesellschaftlich-kulturellen Nachholbedarf haben, sondern einen regelrechten Abwärtstrend des Frauenanteils in der Musik. So berichtet die University of Southern California (USC) – um nur ein Beispiel von vielen zu nennen – dass die Zahl der ausführenden Künstlerinnen von 22,5 Prozent im Jahr 2019 auf 21,6 Prozent in 2020 gesunken ist. Und das bezieht sich lediglich auf die erfolgreichsten Songs der beiden Jahre. Von der Klassik ganz zu schweigen, in der der Gender Gap mit einem Frauenanteil am Dirigierpult in der Konzertsaison 2019/20 bei den deutschen Berufsorchestern mit 7 Prozent erschreckend offensichtlich ist (Bericht von „Archiv Frau und Musik Frankfurt/Main“ und „musica femina münchen“). Es liegen also noch ein weiter Weg und viel Arbeit vor uns, wenn wir diese Kluft schließen und Gleichwertigkeit erreichen wollen. Aber es gibt auch Hoffnung und positive Entwicklungen. In den letzten Jahren wurden Vereine gegründet und Aktionsbündnisse geschaffen mit dem Ziel, auf Missstände aufmerksam zu machen, über Möglichkeiten zu informieren, Frauen eine Bühne zu geben und aktiv Veränderung zu schaffen. Musikveranstalter können mittlerweile die Ungleichheit nicht mehr ignorieren, es gibt bereits Festivals, bei denen ein 50-50-Lineup Pflicht ist und bei öffentlichen Stellen gilt bei einer Bewerbung für Zuschüsse für Konzertveranstaltungen immer häufiger die Auflage, dass ein ausgewogener Frauenanteil gegeben sein muss. Das reicht bei weitem noch nicht für eine grundlegende Verbesserung des Status Quo, ist aber ein Schritt in eine gute Richtung.

Auch im Rahmen der Import Export Open, die in diesem Jahr vom 5. Mai bis zum 2. Oktober stattfindet, wollen wir auf diese Themen eingehen. Deswegen steht der Monat Mai unter dem Motto „Frauen in der Musik“. Wir freuen uns auf inspirierende Veranstaltungen von und mit Frauen auf und hinter der Bühne. Und wir freuen uns auf regen Austausch, neue Impulse und das gemeinsame Erleben von tollen Konzerten! Auf dass bald keine dummen Sprüche mehr zu hören sein werden, dass Frauen in der Musik bald kein Kuriosum sein werden, dass die Diskussionen irgendwann nicht mehr nötig sein werden und dass wir endlich in einem Zustand der Selbstverständlichkeit ankommen.


We Won’t Shut Up! ist ein Kollektiv aus München, das sich im März 2020 zusammengeschlossen hat, um den Geist des Internationalen Weltfrauentags so gut wie möglich einzufangen und weiterzugeben. 2021 fand online die We Won’t Shut Up!-Aktionswoche statt, bei der Expertinnen und Aktivistinnen zu Wort kamen, Missstände beleuchtet wurden, über den feministischen Kampf und LGBTIQ* informiert, Organisationen eine Öffentlichkeit gegeben und Musikerinnen auf die Bühne gebracht wurden. Das Kollektiv hat sich dazu entschlossen eine Plattform zu schaffen, die Einheit und Zusammenhalt vermittelt und möglichst viel Aufmerksamkeit schafft. Wir stehen für Unity, Solidarität, Aufklärung, Protest und Mut. Und wir werden niemals Ruhe geben.

Der Essay erschien im Mai 2021 im Rahmen des Open Festival. Mit dem Format „Diskurse gegen den Kanon und für die Polyphonie“ will das Import Export Diskurse fördern, welche mehr Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit verdienen. Feminismus, Decoloniality, Klimagerechtigkeit, Antirassismus, Recht auf Stadt und weitere Themen sollen das Festival begleiten und inspirieren. Der monatliche Fokus wird von Künstler:innen und Freund:innen visualisiert, beschrieben und im Programm umgesetzt.